Artikel Günter Uphues

Autor:
Günter Uphues
Robert-Koch-Str. 45
40789 Monheim
Tel.: 02173-55369

 

11 x 11 Jahre Narrenzunft in Düsseldorf

Man wusste zwar schon immer, dass die Düsseldorfer Narrenzunft 1910 aus einer Köln-Düsseldorfer Narrenzunft hervorgegangen war, die sich in dieser Konstellation im Jahre 1909 trennte. Die Gründe dafür sind bis heute ungeklärt geblieben. Auch das Gründungsdatum der Vorgängerin war lange Zeit unbekannt.
Das sollte sich schlagartig ändern, als im Sommer 1981 der damalige Präsident Robert Skowronek in alten Beständen des Comitee’s Düsseldorfer Carneval stöberte und dabei einen Orden zu Tage förderte, der das Datum des 11.11.1893 trug. Aus der gut zu entziffernden Inschrift ging hervor, dass dieser Orden von den „Congobrüdern“ stellvertretend dem Präsidenten Julius Breit einer „sehr verehrlichen Köln-Düsseldorfer Narrenzunft“ verliehen worden war.
Vor allem aufgrund des konkreten Datums lagen jetzt Hinweise vor, die eine sinnvolle Recherche in den städtischen Archiven einleiten sollte. Entscheidend unterstützt vom Hobby-Brauchtums-Forscher Peter Schramm wurde Skowronek dann im Herbst des selben Jahres fündig.
Gelang es doch, in der in Düsseldorf verbreiteten Zeitung „Täglicher Anzeiger Düsseldorf“ unter dem Datum vom 14.11.1893 einen Beitrag zu entdecken, der u.a. über die oben zitierte Ordensverleihung berichtete. In der Zeitungsausgabe vom 04.11.1893 wurde angekündigt, dass der „Karnevals-Verein Cöln-Düsseldorfer Narrenzunft“ am Sonntag, dem 12.11.1893, im „Churfürsten“ (Flingerstrasse) bei Herrn Peter Pütz sein 11. Stiftungsfest feiern wird. Daraus liess sich nun leicht das Gründungsjahr 1882 errechnen.
Interessant ist auch eine Zeitungsanzeige vom 01.01.1887, in der die Zunft ihr „1. Gala-Damen-Comité“ ankündigt. Dabei ist der Hinweis wichtig, dass der Einlass für eine Zunft-Schwester und einen Zunft-Bruder „umesons“ geschieht. Somit kann ziemlich sicher abgeleitet werden, dass auch Frauen Vereinsmitglieder sein konnten, was in damaliger Zeit kaum in anderen Gesellschaften üblich war.

Diese Ergebnisse kamen gerade noch rechtzeitig, um für den 24.01.1982 in den „Goldenen Ring“ am Burgplatz einzuladen, wo es galt, „100 Jahre Narrenzunft in Düsseldorf“ gebührend zu feiern. Alles, was im lokalen Winterbrauchtum Rang und Namen hatte, war erschienen. Ebenso waren Abordnungen befreundeter Gesellschaften aus Köln, Neuss, Leverkusen und Dabringhausesn angereist. Neben der örtlichen und der überregionalen Presse informierte sogar der WDR-Hörfunk in Form eines Interviews über das Ereignis.

Wie schon erwähnt weiss niemand, warum die Ära der alten Zunft im Jahre 1909 zu Ende ging. Hatte es mal wieder Querelen zwischen Köln und Düsseldorf gegeben? Wer weiss? Davon unbehelligt beschlossen einige alte Zunftanhänger die gute Tradition bereits im Jahre 1910 wieder aufleben zu lassen und zwar unter dem neuen Namen „Düsseldorfer Narrenzunft“.

Die neue Zunft, bei der die Damen allerdings draussen bleiben mussten, entwickelte sich sehr schnell zu einer renomierten Düsseldorfer Karnevalsgesellschaft. Dafür sorgte in hohem Maße der äußerst rührige Präsident Mathieu Schmitz. Schon 1913 verfügte die Zunft über das erste gestickte Banner Düsseldorfs in den Farben hellblau-rot-gelb. Im Jahre 1914 nahm man mit drei Prunkwagen am Rosenmontagszug Teil. Prompt verlieh Zugleiter Max Röntz den Titel „Große KG“. Bei Kriegsbeginn wurde der Kassenbestand dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt.

Dank der Opferfreudigkeit der Zunftbrüder konnte 1919 dem in Not geratenen Waisenhaus an der Oberbilker Allee über die ersten Nachkriegswehen hinweggeholfen werden. Bereits im selben Jahr wagte die Narrenzunft als erste der grossen Gesellschaften eine Karnevalskampagne im überfüllten „Hackes Konzertsaal“. Sitzungslokale der Zunft wie „Chardas-Palast“, Café „Rumpelmeyer“, „Adler Bunte Bühne“, „Palast-Café“ oder Café „Cornelius“ wurden zu Hochburgen des Karnevals.

Anfang der 20er Jahre gründete Mathieu Schmitz die “Vereinigten Karnevalsgesellschaften Düsseldorfs sowie der angeschlossenen auswärtigen Vereine“ und wurde zum Vorsitzenden gewählt; die Vereinigung ist sozusagen der Vorgänger des heutigen Comitee’s Düsseldorfer Carneval und anderer Dachorganisationen. Aufgrund seiner Funktion führte Mathieu Schmitz harte Kämpfe mit der damaligen Regierung in Berlin, um die erfolgreiche Freigabe des rheinischen Karnevals als „Rheinisches Brauchtum“ zu erzwingen.

Grosse Gastspielveranstaltungen führten die Narrenzunft u.a. nach Buir, Köln, Schwerte und Essen. In der Hauptfesthalle der grossen Gesolei-Ausstellung leitete Schmitz am 04.07.1926 die Prunksitzung anlässlich des ersten und einzigen Kongresses der rheinischen Karnevalsgesellschaften. Nur einmal von einer längeren Krankheit unterbrochen, führte Mathieu Schmitz die Narrenzunft bis zum Zweiten Weltkrieg von Erfolg zu Erfolg. Dabei diente das Café „Cornelius“ als Hauptquartier.

Bei Kriegsende 1945 standen die Zünftler vor dem Nichts. Fast das gesamte Archivmaterial sowie der umfangreiche Requisitenfundus waren den Bomben zum Opfer gefallen. Zudem starb, wie es hieß, Düsseldorfs geistreichster Zeremonienmeister Alex Fischer, der 25 Jahre den Stab mit der Eule in seinen Händen hielt.
Bald jedoch lebte die Zunft unter dem Bannerherrn Walter Jasper-Roderich wieder auf. Das Präsidium führte weiterhin, wie schon seit 35 Jahren, Mathieu Schmitz. Als neue Gesellschaftsfarben wählte man die Kombination blau-rot-weiss.

1946 fanden auch wieder erste Sitzungen auf dem Fahrgastschiff „Mainz“ statt, das gerade im Düsseldorfer Hafen ankerte. Pro Person mussten zwei Briketts als Eintritt mitgebracht werden.

Aus gesundheitlichen Gründen trat Mathieu Schmitz 1948 nach nunmehr 38-jähriger Regentschaft zurück. Neuer Präsident wurde Werner Stauter, dem „der junge, schlagfertige Zeremonienmeister Günter Leidolf“ (Pressezitat) zur Seite stand. An seine spontanen Stegreifverse, mit denen er die einzelnen Sitzungsdarbietungen beziehungsreich kommentierte, und das mehr als 40 Jahre lang, dürften sich noch viele Karnevalsfreunde erinnern. Außerdem war er ein begnadeter Büttenredner und Heimatdichter.

Aus Anlass des 4 x 11-jährigen Bestehens richtete die Narrenzunft 1954 in der Rheinhalle (heute Tonhalle) einen Kongress der rheinisch-westfälischen Narrenzünfte aus. Bei dauerhaften Temperaturen um -25°C blieb leider das Publikumsinteresse und damit auch der erhoffte Erfolg aus.

Verbrieft sind die erfolgreichen Veranstaltungen in den 50-er Jahren im ehemaligen Altstadtlokal „Goldener Hahn“. Bis zu 36 Sitzungen pro Session zeugen vom Fleiss und Können der damaligen Narrenzunft. Sicherlich trugen die im Vergleich zu heute anderen Zeiten zu solchen Exzessen bei.

Bis 1966 fanden am Rathaus die beliebten und attraktiven Freiluftsitzungen statt. Aus finanziellen Gründen – man hatte ja keine Einnahmen – musste das einzigartige Engagement aufgegeben werden. Unter dem „immer lächelnden Präsidenten“ (Pressezitat) Werner Stauter wurden auch weiterhin Kontakte zu auswärtigen Karnevalsgesellschaften in Eupen, Venlo, Geleen, Aachen und Bremen gepflegt.

1968 gab Werner Stauter nach 20-jähriger erfolgreicher Führung der Gesellschaft die Narrenpritsche an den Vizepräsidenten Robert Skowronek ab mit der Devise: „Das ist der Weisheit letzter Schluss, dass sie der Narr behüten muss!“ Robert Skowronek war erst der dritte Präsident in der langjährigen Vereinsgeschichte. Schon bald setzte er neue Akzente, von denen die seit 1973 möglich, gleichberechtigte Mitgliedschaft für Frauen besonders hervorzuheben ist. Man hat also wiederbelebt, was die Vorgänger der Cöln-Düsseldorfer Narrenzunft schon fast 100 Jahre zuvor beherzigten.

In den kommenden Jahren warb die Zunft für den Düsseldorfer Karneval in Solingen, Dülmen und Attendorn. Ebenso sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Zunft viele Jahre die Sitzung des Verbandes der Kriegsblinden unterstützte. Dabei überliess sie in ihren Ornaten gerne dem dynamischen Vorsitzenden Dr. Wilfried Mühlensiepen das Narrenzepter.

Der Zunftmeister Engelbert Oxenfort wurde 1978 unvergessener Prinz der Landeshauptstadt. Danach übernahm er als Präsident die Prinzengarde blau-weiss, blieb der Narrenzunft aber als Ehrenmitglied verbunden.

Närrische Heimstätten waren und sind es z.T. auch heute noch der „Hundertjährige Bierkeller“, „Gatz, heute Schlüssel, am Zoo“ sowie der „Goldene Ring“, wo in diesem Jahr bereits die 27. Auflage des äußerst zünftigen Hausfrauen-Nachmittags besten volkstümlichen Altstadt-Karneval bietet.

Nach nahezu 30-jähriger Amtsführung verstarb Robert Skowronek wenige Tage vor Weihnachten 1997 plötzlich und unerwartet. Anfang 1998 wählten die Mitglieder den gebürtigen Münsterländer Günter Uphues, der aber schon seit 40 Jahren rheinische Luft atmet, zu ihrem erst vierten Präsidenten. Als erster „IMI“ in diesem Amt erhob er den Wahlspruch des Mathieu Schmitz: „Jedem Wohl und niemand Wehe“ auch zu seinem Motto und hofft damit die gute Tradition und die Volkstümlichkeit der Narrenzunft fortsetzen zu können.